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Chapeau! Wen Jiabao gibt trotz der Krise Gas

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Von CHRISTIAN GEINITZ

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Reformstau heißt auf Chinesisch „gaige jiangju” oder „gaige gengzu”, blockierte Neuordnung. Was das bedeutet, wissen die Chinesen nur allzu gut, denn auch bei ihnen sind viele Veränderungen steckengeblieben. Jetzt, auf den letzten Metern ihrer zehnjährigen Herrschaft, versucht die scheidende Regierung doch noch die eine oder andere richtungsweisende Entscheidung durchzusetzen.

Das gilt nicht für die Menschenrechte oder die Rechtsstaatlichkeit. Hier ist die Situation so schlecht ist wie eh und je oder sogar schlechter. Aber es gilt für Teile der Sozialpolitik und des Finanzwesens.

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Aus dem Arbeitsministerium kam jetzt der Vorstoß, das Rentenalter auf 65 Jahre heraufzusetzen (China: Vergreisung führt zu Arbeitskräftemangel – Menschen …). Das ist längst überfällig, denn China vergreist als Folge der Einkindpolitik. Schon in wenigen Jahren wird der Höhepunkt im Arbeitskräfteangebot erreicht sein. Danach dürfte es immer schwieriger werden, bezahlbare Mitarbeiter zu finden und das wachsende Heer der Senioren zu ernähren.

Während in der Rentenfrage noch nichts entschieden ist, macht die Zentralbank Nägel mit Köpfen: Neuerdings ist es Banken erlaubt, von den Leitzinsen weit mehr abzuweichen als bisher. Das klingt marginal, ist für China aber eine kleine Sensation. Denn bisher boten die Staatsbanken weitgehend identische Sätze an, ein echter Wettbewerb fehlte.

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Die Verzinsung der Einlagen war real negativ. Weil die Sparer aber keine besseren Anlagemöglichkeiten hatten, vertrauten sie ihr Geld trotzdem den Banken an. Diese verliehen es zu günstigen Konditionen weiter, zumeist an (befreundete) Staatsunternehmen. Das sicherte diesen niedrige Finanzierungskosten und den Banken dicke Zinsmargen.

Dass Regierung und Notenbank das nun aufbrechen, ist der jüngste Beleg für die Öffnung eines völlig verkrusteten Systems. Ungewohnt scharf hält Regierungschef Wen Jiabao den Banken ihre „Monopolstellung” vor und wettert, man mache ihnen das Geldverdienen viel zu leicht. Es sei an der Zeit, die Branche für private Anbieter und für Innovationen zu öffnen und endlich den Mittelstand mit ausreichend Geld zu versorgen.

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Der neue Vorstoß soll die Banken auch auf den internationalen Wettbewerb vorbereiten. Die Veränderungen sind ein zentraler Baustein des einzigen wirklich großen Reformprojekts der scheidenden Regierung: der Liberalisierung der Finanzmärkte.

Wen und sein Notenbankgouverneur Zhou Xiaochuan haben sich vorgenommen, den Renminbi konvertibel zu machen, die Kapitalkontrollen zu lockern, die Zinsen und den Wechselkurs freizugeben und den Grundstein für ein multipolares Weltwährungssystem zu legen. Darin gäbe es nicht mehr nur eine Leitwährung, den Dollar, sondern regionale Schwergewichte, darunter den Renminbi.

Natürlich wird dieses Szenario so bald nicht eintreten, aber Zhou und Wen wollen noch in ihrer Amtszeit die Weichen dafür stellen. Der aktuelle Fünfjahresplan sieht die Handelbarkeit des Renminbi bis 2015 vor, im Jahr 2020 soll Schanghai ein führender internationaler Finanzplatz sein.

Noch spielt die chinesische Währung eine untergeordnete Rolle. Aber die Führung lässt immer mehr grenzüberschreitende Geschäfte zu. In Hongkong können Anleger Renminbi-Konten unterhalten, Unternehmen dürfen Anleihen in dieser Währung begeben. In Shenzhen nördlich von Hongkong wurde soeben die erste Experimentierzone für den freien Renminbi-Handel auf dem Festland eingerichtet.

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Es scheint, als ob Chinas moderate Reformer wie Wen und Zhou vor der Machtübergabe noch schnell Fakten schaffen wollen. Dazu gehört es, sich mit den einflussreichen Staatsbanken anzulegen, die ihre Pfründen gefährdet sehen und sich deshalb einer Öffnung widersetzen.

Die Zeit für die Umgestaltung ist knapp, die Umstände sind widrig: Im Oktober wird die neue Führung ausgekungelt, die im März das Ruder übernimmt. In den innersten Machtzirkeln toben Richtungskämpfe. Gleichzeitig schwächt sich die Konjunktur in der zweitstärksten Volkswirtschaft der Welt immer mehr ab.

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Der Eifer in diesen turbulenten Zeiten ist bemerkenswert, denn bisher dienten unvorteilhafte äußere Umstände als Entschuldigung für die Verschleppung der Reformen. Um Arbeit und Wachstum zu sichern, hat die Regierung viele Ziele während der Krise aus dem Auge verloren.

Weder trieb sie die Privatisierung voran, noch förderte sie Dienstleistungen und Mittelstand. Die Bedeutung der Anlageninvestitionen hat eher zu- als abgenommen. Und der Binnenkonsum gewinnt immer nur dann an Fahrt, wenn der Staat ihn anfacht.

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Man muss die scheidende Führung von Wen Jiabao sowie Staats- und Parteichef Hu Jintao sehr kritisch sehen. Das chinesische Volk hat sie nie gewählt. In ihre Amtszeit fallen die Niederschlagung der Aufstände in Tibet und Xinjiang sowie die Verfolgung des Nobelpreisträgers Liu Xiaobo, des Künstlers Ai Weiwei und vieler anderer. Doch hat es zumindest in wirtschaftlicher Hinsicht Ansätze zu Verbesserungen gegeben.

Die Reformen kommen spät und sind unzulänglich, aber sie bieten die richtigen Anknüpfungspunkte. Der Westen sollte diese Entwicklung unterstützen. Dazu hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Gelegenheit, wenn sie Ende August nach Peking reist. Der freien Welt muss daran gelegen sein, dass sich die Öffnungspolitiker im Machtgeschacher dieses Jahres durchsetzen. Am besten mit Erfolgen.

Fotos: itz

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von itzi erschienen in Akte Asien ein Blog von FAZ.NET.


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